Die Rolle von Herkunftsnachweisen für Wärme- und Kälte in der Wärmewende (E3)
Ähnlich wie bei einer netzgebundenen Stromerzeugung stellt sich bei einer Wärme- oder Kälteversorgung über Netze die Frage, wie Eigenschaften klimaneutral erzeugter Energie aus bestimmten Anlagen einzelnen Kund:innen zugeordnet werden können. Aktuell werden ökologische Qualitätskennzahlen der Wärme- und Kälteversorgung wie EE- und Abwärmeanteile, Primärenergiefaktoren und Emissionsfaktoren in der Regel netzeinheitlich bestimmt. In Netzdurchschnittswerte, die gegenüber allen angeschlossenen Kund:innen ausgewiesen werden, gehen die Eigenschaften aller einspeisenden Anlagen ein.
Für Kund:innen kann die Möglichkeit, ein grünes Wärme- oder Kälteprodukt mit einem bilanziell hundertprozentigen Anteil klimaneutral erzeugter thermischer Energie zu beziehen, dennoch von hoher Relevanz sein. Dies ist zum einen bei der Entscheidung der Fall, ob ein Anschluss an ein Fernwärme- bzw. Fernkältenetz gewählt wird oder eine alternative, dezentrale Energieerzeugungsoption. Zum anderen schafft die Möglichkeit, ein hundertprozentig klimaneutrales Energieprodukt zu beziehen, einen Anreiz zur Zahlung einer grünen Preisprämie, durch die sich – insbesondere bei einem Fokus der grünen Fernwärme- und -kältevermarktung auf Neuanlagen – ein nachfrageseitiger Impuls zur Dekarbonisierung von Netzen setzen lässt. Neben ideell motivierten Privatkund:innen ist dies ein relevanter Anwendungsfall für Kund:innen aus den Bereichen Industrie, Gewerbe, Handel und Dienstleistungen, die zur Umsetzung von unternehmenseigenen Klimaneutralitätsstrategien darauf angewiesen sind, auch bei einem Energiebezug über Netze eine Umstellung auf grüne Energieprodukte zu realisieren. Auch für Unternehmen der Wohnungswirtschaft ist die Möglichkeit, Mieter:innen mit klimaneutraler Fernwärme versorgen zu können, von Bedeutung. Die Unterstützung des Ausbaus klimaneutraler Erzeugungsquellen in ihrem Wärme- oder Kältenetz könnte zudem für Bauherren und Gebäudeeigentümer:innen eine attraktive Option darstellen. Dies wäre insbesondere dann der Fall, wenn vom Gesetzgeber eine Rolle für grüne Fernwärme- oder kälteprodukte als Erfüllungsoption für ordnungsrechtliche Anforderungen an Gebäude oder die Inanspruchnahme von Förderprogrammen vorgesehen würde.
Voraussetzung für all diese Anwendungsfälle ist die Existenz eines Nachweisverfahrens, dass eine eindeutige Zuordnung grüner Eigenschaften zu Kund:innen ermöglicht und, im Zusammenspiel mit Kennzeichnungsregeln, Mehrfachvermarktung ausschließt. Durch die von der zweiten Erneuerbare-Energien-Richtlinie vorgesehene Einführung von Herkunftsnachweissystemen auch für Wärme und Kälte wird ein solches Nachweisverfahren perspektivisch zur Verfügung stehen. Als Basis für eine transparente Vermarktung grüner Wärme- und Kälteprodukte könnten Wärme- und Kälte-HKN zu einem Baustein im Instrumentenkasten der Wärmewende werden.
Ziel des Berichts ist vor diesem Hintergrund, einen Überblick über relevante Rahmenbedingungen, Anwendungsfälle und Besonderheiten einer Nachweisführung mit Wärme- und Kälte-HKN zu geben und Implikationen zu diskutieren, die sich hieraus für Wärme- und Kälte-HKN-Systeme ergeben.
Kennzeichnungs- und Vermarktungsoptionen für Fernwärme
Grafik: Hamburg Institut