Perspektiven für die Weiterentwicklung von Erneuerbare-Energien-Nachweisen für Strom (E1)
Im Stromsektor sind Herkunftsnachweise (HKN) bislang das einzige, etablierte und rechtssichere Instrument zum Nachweis der Erneuerbare-Energien (EE)-Eigenschaft und somit zum Ausschluss der Doppelvermarktung erneuerbaren Stroms, sowohl in Deutschland als auch in der Europäischen Union (EU) und darüber hinaus. Auch wenn sich HKN-Einsatzzwecke pro Land unterscheiden können, ist ihr Anwendungsbereich auf europäischer und auf nationaler Ebene grundsätzlich eingeschränkt. So dienen HKN nach Artikel 19 der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (EU) 2018/2001 (RED II) lediglich dem Ziel der Verbraucherinformation (insbesondere im Rahmen der Stromkennzeichnung) und haben kaum Funktionen hinsichtlich der Erfüllung gesetzlicher Vorgaben und Anforderungen.
Jedoch beeinflussen die steigende marktseitige Nachfrage nach Grünstrom, Veränderungen in der Nachfragestruktur sowie neue regulatorische Vorgaben (z.B. durch die bestehende europäische Erneuerbare-Energien-Richtlinie (REDII) und deren Novellierung (REDIII)) die Ansprüche an Nachweissysteme für erneuerbaren Strom in den EU-Mitgliedsstaaten, was eine Weiterentwicklung dieser Systeme und deren Anwendungsgebiete erforderlich macht. Dabei gilt es zu klären, welche Rolle die bestehenden HKN-Systeme künftig bei der Nachweisführung von erneuerbarem Strom einnehmen bzw. welche Erweiterungen dieser oder welche neuen Systeme eingesetzt werden sollten.
Die Ausgestaltung etwaiger Weiterentwicklungen von Strom-HKN bzw. neuer Systeme sollte sich nach dem angestrebten Nachweiseinsatzzweck richten, Wechselwirkungen mit Nachweisen anderer erneuerbarer Energieträger (z.B. Massenbilanzierungssysteme für Gase) beachten und ein angemessenes Verhältnis von Kosten/Aufwand und Nutzen aufweisen. Zudem muss die wichtigste Funktion, nämlich der Ausschluss der Doppelvermarktung (Artikel 19 Abs. 2 u. 6 RED II) durch die zuverlässige und sichere Nachweisführung der Herkunft von erneuerbarem Strom, gewährleistet werden.
Im vorliegenden Bericht werden zunächst die aktuelle Praxis (Abschnitt 2) und die neuen An- und Herausforderungen (Abschnitt 3) im Bereich der Nachweise für erneuerbaren Strom dargestellt. Anschließend werden verschiedene, auf die kommenden Anforderungen angepasste, Weiterentwicklungsperspektiven des deutschen Stromnachweissystems eruiert (Abschnitt 4), wobei das bestehende Strom-HKN-System, innerhalb seiner gegebenen nationalen und europarechtlichen Rahmenbedingungen, die Basis der Analyse bildet, aber auch darüberhinausgehende Überlegungen dargestellt werden. Abschließend werden diese in Abschnitt 5 zusammengefasst.
Ausstellung, Entwertung und Verfall von EECS-HKN aus erneuerbaren Energien in Deutschland (in TWh, nach Jahr der zugrunde liegenden Stromproduktion)
Quelle: Hamburg Institut, auf Basis von AIB 2022, Activity statistics (Annual Fuel-Level 2, Stand Mai 2022).
Anteil von Ökostrom an der Elektrizitätsabgabe an Letztverbraucher:innen in Deutschland (in Prozent)
Grafik: Hamburg Institut, auf Basis der Daten von Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt, Monitoringberichte 2010-2021.
Basis: Lieferantenbefragung der Bundesnetzagentur und des Bundeskartellamts. Die Berechnung der Ökostromanteile basiert auf Angaben befragter Lieferanten zur in gesonderten Ökostromtarifen vermarkteten Strommenge (2020: 73,4 TWh) sowie zur gesamten an Letztverbraucher abgegebenen Strommenge (2020: 380,9 TWh). 2020 gaben befragte Lieferanten 37,2 TWh Ökostrom an Haushaltskunden ab (gesamt: 118,8 TWh), 36,3 TWh an weitere Letztverbraucher (gesamt: 262,2 TWh).